Die glänzende Fassade

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Was geht in diesen Hochburgen des Kapitalismus vor? Von wem werden die Großunternehmen regiert und wem gehören die riesigen Vermögenswerte, die dort angesammelt wurden und ständig weiterwachsen? Wer bestimmt das Schicksal der vielen tausend Arbeiter und Angestellten, die im Dienst dieser Konzerne stehen - und welche Legitimation gibt es für diese Herrschaft über Menschen und Kapital?

Sichtbar von den komplizierten Vorgängen in der Wirtschaft, dem Kampf um Macht, Reichtum und Erfolg ist nur das Ergebnis dieses Prozesses.- die blitzenden Schaufenster mit dem überwältigenden Warenangebot westlicher Überflußgesellschaften. Die glänzende Konsumfassade dokumentiert aber nicht nur die erstaunlichen Leistungen des marktwirtschaftlichen Systems, sie verbirgt dem Auge des umgeschulten Beobachters gleichzeitig auch manche Schwächen dieser Wirtschaftsordnung: die ungleiche Verteilung der wirtschaftlichen Chancen, die Konzentration von Besitz und Einkommen sowie die in unserer Rechtsordnung noch verankerten halbfeudalen Züge der Gesellschaft. Die Konsumfassade entzieht manche entscheidenden Vorgänge in der Wirtschaft den Blicken der Außenstehenden, ebenso wie die dünne Schicht von Chrom, Lack und Blech das Antriebssystem eines Autos verbirgt, dessen Konstruktion nur wenigen Eingeweihten bekannt ist.

Und der Blick des Bundesbürgers ist allzu lange in stummer Bewunderung an dem äußeren Glanz, am Chrom und Lack des Wirtschaftswunders hängengeblieben.

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Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland, Hamburg 1971, S. 11.