Quandt - das unbekannte Wesen

Die Vorliebe für die Arbeit im stillen teilt so mancher der deutschen Industriefürsten mit den Werhahns. Kaum irgendwo beherrscht man die Kunst der vornehmen Zurückhaltung aber so perfekt wie bei den Quandts. Schon über den Vater des heutigen Konzemherrn Herbert Quandt heißt es in einem biographischen Archiv bezeichnenderweise, daß er »es wie selten jemand verstand, sein erhebliches Wirken in der deutschen Wirtschaft dem Einblick des Außenstehenden zu entziehend. Die gleiche Quelle weiß über Herbert Quandt zu berichten. »Die Arbeit in der Stille vom Verwaltungszentrum, dem Günter-Quandt-Haus in Bad Homburg aus, gehört zum Führungsstil dieses Unternehmens. Niemals ist Herbert Quandt vor einer breiten Öffentlichkeit in Erscheinung getreten. Durch ein Augenleiden behindert, das seine Sehkraft stark gemindert hat, meidet er offizielle Empfänge und gesellschaftliche Veranstaltungen. Die »Quandt-Gruppe« ist der am weitesten verzweigte Konzern, der in Deutschland seit Hugo Stinnes senior entstand. Keines der Unternehmen trägt jedoch im Firmenkopf den Namen Quandt. Sie fabrizieren Kammgarn, Autobatterien und Taschenlampen, Haarwasser und Eisenbahnwaggons, drucken Reiseführer ... und sind (laut Industriegewerkschaft Metall) »die vermutlich größten deutschen Rüstungsinteressenten«. Diesen Spitzenplatz dürfte der Quandt-Konzern aber inzwischen an die Flick-Gruppe verloren haben.

»Die schweigsamen Brüder« oder »Quandt - das unbekannte Wesen«, so und ähnlich lauten denn häufig auch die Titel der Berichte, wenn sich die eine oder andere Zeitung einmal an den Versuch wagt, ein Bild der geheimnisvollen Gruppe zu zeichnen. »Die beiden Brüder gehören zu den Schweigsamen im Lande. Von ihrem Vater, Günther Quandt, haben sie nicht nur einen Konzern geerbt, sondern auch die Scheu vor der Presse. Und wenn Harald Quandt diese Scheu auf einer Pressekonferenz des Aero-Clubs überwindet, tauchen unwillkürlich Reminiszenzen an eine Lagebesprechung beim Divisionskommandeur auf.« Solche Formulierungen sind typisch für Nachrichten über die Quandts.

Dabei greift Herbert Quandt, der allein an der Spitze der Gruppe steht, seit sein Bruder Harald 1967 beim Absturz seiner privaten Düsenmaschine ums Leben kam, recht energisch in die Entwicklung der seiner Kontrolle unterworfenen Industriebetriebe ein. Meist geschieht dies über die in vielen Jahren eingespielten Kommandowege. Doch nicht immer kann er sein Wirken den Blicken der Öffentlichkeit ganz entziehen, so etwa bei der Sanierung der Bayerischen Motorenwerke. Quandt war Anfang 1960, mitten in der schlimmsten Krise des Unternehmens, auf den Plan getreten. Die Aktionäre hatten gerade den als scheinbar letzten Ausweg vorgeschlagenen Anschluß an Daimler abgelehnt. Während die Kurse für die BMW-Aktien in den Keller purzelten, hatte er ein wohl schon früher in seinem Besitz befindliches Aktienpaket durch diskrete Zukäufe angereichert. Auf der BMW-Hauptversammlung 1962 gab er dann seinen Aktienbesitz mit 25 Prozent, später nur noch mit »mehr als den vierten Teil« des Gesamtkapitals an. Kenner der Verhältnisse vermuten, daß sein Einfluß durch fortgesetzte Zukäufe längst an die Grenze von 50 Prozent heranreicht oder diese auch schon überschritten hat.

Doch wie auch immer, Herbert Quandt entwickelte hinter den Kulissen eine beachtliche Aktivität und nahm nachhaltigen Einfluß auf die Geschäftspolitik des ins Schleudern geratenen Automobilunternehmens. Er stellte ein Auffangskonsortium auf die Beine, als den Banken die Courage fehlte, sich für die Kapitalerhöhung im Herbst 1960 zur Verfügung zu stellen. Quandt griff auch immer wieder sehr gezielt in die Leitung des Unternehmens ein - so gezielt, daß ein Aufsichtsratsvorsitzen, der schon nach einem Jahr »Zusammenarbeit« sein Amt aus Protest zur Verfügung stellte. Ebenso zog es der von Quandt selber 1962 auf den Sessel des Vorstandsvorsitzenden gehobene - und sehr erfolgreiche - Karl-Heinz Sonne nach nur drei Jahren vor, München wieder den Rücken zu kehren. Auch ihn störte es, daß der Großaktionär oft bis in die letzten Details hinein das entscheidende Wort haben wollte. Das Aktienrecht gewährt einem Aktionär solche Rechte nicht. Deutsche Gerichte haben es sogar schon für durchaus legitim befunden, daß die Leitung eines Unternehmens einem Aktionär eine Betriebsbesichtigung verweigerte. Dabei handelte es sich allerdings nur um einen Kleinaktionär. Der Begriff »gleiches Recht für alle« hat in der Wirtschaft noch nie viel gegolten. Was für einen Kleinaktionär gilt, gilt noch lange nicht für einen Mann wie Herbert Quandt.



1967 gelang es Quandt, den einzigen Vertreter der Kleinaktionäre (die zusammen einen sehr ansehnlichen Teil des Kapitals halten und deren Standfestigkeit es nicht zuletzt zu verdanken war, daß BNIW seine Selbständigkeit behielt) aus dem Aufsichtsrat hinauszumanövrieren und in einen Beirat abzuschieben. Danach konnte Quandt, der nach eigenen Angaben nur über mehr als ein Viertel des Aktienkapitals verfügte, das Unternehmen noch unbehinderter nach seinen Wünschen lenken als zuvor. Das wurde auch dadurch erleichtert, daß der zweite Großaktionär, Jacques Koerfer, sich nach Meinungsverschiedenheiten mit Quandt von seinen Papieren trennte. Der Berner Industrielle hatte Quandt jahrelang mit Hilfe seines Aktienpakets jeden Mehrheitsbeschluß ermöglicht und war dafür mit dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitz belohnt worden. Als Quandt Koerfer nicht mehr brauchte, weil er inzwischen genügend Aktien zusammengekauft hatte, war es mit der Freundschaft aus. Der Homburger Konzernlenker, der schon den Posten des Vorsitzenden an einen Mann seines Vertrauens vergeben hatte, wollte nun auch noch über den zweiten Platz allein bestimmen und Koerfer zum einfachen Aufsichtsratsmitglied degradieren. An dieser neuen Form der Zusammenarbeit war Koerfer nicht interessiert und zog sich ganz aus dem Unternehmen zurück - vielleicht grollend, aber gewiß nicht mit Verlust. Seine Aktien hatte er seinerzeit zu Kursen zwischen 150 und 200 Prozent kaufen können, nun trat er sein Paket für mindestens 700 Prozent an den Kölner Versicherungsunternehmer Hans Gerling ab - Gewinn rund 50 Millionen Mark.

Der blau-weiße Automobilkonzern, der nach Jahren der Ungewißheit wieder zu neuer Blüte gelangte, verdankt seine Wiederauferstehung sicherlich zu einem guten Teil dem schweigsamen Mann aus Bad Homburg. Quandt ging bei seinem Engagement ohne Zweifel ein finanzielles Risiko ein und hat bei der Sanierung großes unternehmerisches Geschick bewiesen. Der Stil, den er dabei praktizierte, dämpfte die Dankbarkeit bei vielen der Beteiligten allerdings nachhaltig.

Am Krieg und an der Inflation verdient

BMW gehört nur zu einem der zahlreichen wirtschaftlichen Felder, auf die der Quandt-Konzern gesetzt hat. Einige Dutzend Firmen zählen zu seinem Einflußbereich, und bei vielen weiß kein Außenstehender genau, wie hoch die Beteiligungen sind. Wo das Gesetz nicht zwingend Auskunft verlangt, schweigt man in Bad Homburg. Der Schleier, der noch immer über dem Erbe Günther Quandts liegt, wird wohl freiwillig nie gelüftet werden.

Der Konzerngründer entstammte einer alten märkischen Tuchmacherfamilie. Sein Organisationstalent und die Kenntnis der Textilbranche ließen ihn im Ersten Weltkrieg zum Leiter der Kriegswollbedarf AG avancieren und dabei wichtige Verbindungen zu führenden Industriellen anknüpfen. 1918 kam er zur Gewerkschaft Wintershall und wurde Vorsitzender des Aufsichtsrats bei den Industriewerken Karlsruhe. Neben dem Einfluß auf die Geschäftsführung brachte er jeweils auch einen bedeutenden Teil des Aktienkapitals dieser Unternehmen an sich. Die Industriewerke Karlsruhe (IWK) lenkte Quandt bis 1970 in der Pose des Alleinherrschers. Im Aufsichtsrat sitzen nur Männer seines Vertrauens. Jeden Antrag der Minderheitsaktionäre, die immerhin 40 Prozent der Aktien besitzen, auch einen Abgeordneten aus ihren Reihen oder einen Bankenvertreter in dieses Kontrollorgan aufzunehmen, wies er zurück.

Nachdem Quandt die Kontrolle über die Industriewerke Karlsruhe errungen hatte, stieg er groß ins Rüstungsgeschäft ein, an dem auch eine Reihe anderer Firmen der Gruppe partizipierten. In den Jahren der Inflation hatte Quandt ebenso wie Hugo Stinnes die Chance erkannt, die rapide Geldentwertung zum Aufbau großer Unternehmensgruppen zu nutzen. Schulden, die man dabei machte, ließ die sich im Eilzugtempo vollziehende Inflation in kürzester Zeit zu Bagatellbeträgen zusammenschmelzen. Günther Quandt machte sich bald als Konzernbauherr einen Namen, fusionierte Textilfabriken und stieg in die Elektroindustrie ein. Die Zukunft der Motorisierung vor Augen, kaufte er schon Anfang der zwanziger Jahre die Mehrheit der breitgestreuten Aktien der Accumulatoren-Fabrik (AFS), die heute unter dem Namen Varta AG firmiert, und sicherte sich eine Beteiligung an der Daimler-Benz AG. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde ohne viel öffentliches Aufsehen so in aller Stille ein riesiger, bunt gemischter Konzern aufgebaut.

Es waren denn auch nicht diese Aktivitäten in der Stille, sondern ein politisch-familiäres Ereignis, das den Namen Günther Quandts bekannt machte. Seine zweite Frau Magda trennte sich von ihm, um Joseph Goebbels zu heiraten. Ihren Sohn Harald nahm sie mit in das Haus von Hitlers Chefpropagandisten. Den Quandts war diese Verbindung zu den Machthabern des Dritten Reiches später so peinlich, daß sie nach dem Krieg alles unternahmen, um die Erinnerung daran zu tilgen. Als es 1964 Schlagzeilen machte, daß die Düsseldorfer Millionärin Tebbenjohann (eine Stiefschwester von Magda Goebbels) den wegen Mordes verurteilten und später freigesprochenen amerikanischen Arzt Sam Sheppard heiraten wollte, bemühten sich die Quandts mit Nachdruck und Erfolg darum, daß die familiären Beziehungen zu ihnen verborgen blieben.

Der Krieg hat auch dem Quandt-Imperium schwere Wunden geschlagen, aber der Besitz an Sachvermögen war trotz Zerstörung und Demontage noch so umfangreich, daß die Gruppe auf diesem Fundament bald wieder in alter Form erstand. Günther Quandt, der erfahrene Konzernschmied, der der Inflation und der Weltwirtschaftskrise schon die besten Seiten abgewonnen hatte, war gewiß nicht der Mann, um die glänzenden Möglichkeiten zu übersehen, die ihm die Wiederaufbauphase bot. Ehe der Konzerngründer 1954 auf einer Geschäftsreise in Kairo starb, hatte er Zeit gefunden, seinen Besitz wieder zu ordnen. Seine Söhne waren vom Vater schon früh auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet worden. Der 1910 geborene Herbert Quandt hatte bereits 1940 vom Vater einen Vorstandsposten bei der Accumulatorenfabrik Hagen erhalten, Harald saß bereits als Student in Aufsichtsräten von Quandt-Unternehmen. Nach dem Tod des Konzerngründers wurden die Halbbrüder zu gleichberechtigten Erben des Milliardenvermögens. Zu Generalbevollmächtigten des Konzerns machten sie zwei noch vom Vater vorgeschlagene Männer, den Juristen Horst Pavel und den Kaufmann Gerhard Vieweg. Zusammen lenkte dieser »Viererkreis« wie vordem der Gründer den verzweigten Konzern (vgl. Übersicht: Die Stützpunkte der Quandt-Gruppe) ebenso straff wie lautlos und unauffällig. Den Einfluß, den sie als Großaktionäre auf ihre über Holdinggesellschaften beherrschten Unternehmen hatten, verstärkten sie noch durch die Übernahme zahlreicher Vorstands- und Aufsichtsratsposten in diesen Firmen. Kaum ein anderer Industrieller der Bundesrepublik dürfte so viele hohe Managerposten innegehabt haben wie Harald Quandt. Sein plötzlicher Tod ließ wenigstens fünfundzwanzig Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft verwaisen und zwang Herbert, sich auch der Bereiche des Konzerns intensiver anzunehmen, die vorher sein Bruder betreut hatte. Vermutungen, daß der Konzern durch die Zahlung fälliger Erbschaftssteuern, die bei dem Umfang des Quandt-Vermögens zwischen 100 und 200 Millionen Mark gelegen hätten, schwer belastet würde, trafen offenbar nicht zu. Ebenso wie der Vater, der bei seinem Tod sein Vermögen längst in vollem Umfang auf die Söhne übertragen hatte, wird auch Harald vorgesorgt haben. Daß dem Konzern trotz mancher Unkenrufe immer noch genügend finanzielle Elastizität verblieben war, um auch noch weitere Unternehmen zu schlucken, wurde Anfang 1970 durch die hundertprozentige Übernahme der Milupa-Pauly AG bewiesen, die zu den größten und angesehensten deutschen Firmen auf dem Gebiet der Erzeugung und des Vertriebs von Kindernährmitteln gehört. Herbert Quandt, in dessen Konzern unter anderem Medikamente, MW1wagen, Container, Munition, Panzer, Näh- und Erntemaschinen, Autos und die Mehrzahl der deutschen Autobatterien hergestellt werden, sorgt jetzt also auch noch für den Brei der Jüngsten - wie immer schweigend.

Wettlauf der Panzerschmiede

Diesen Stil der Geschäftsführung hat Quandt mit einem weiteren großen Schweiger der deutschen Wirtschaft gemein, mit dem Düsseldorfer Konzernbauherm Friedrich Flick. Auch sonst gibt es so manche verbindende Züge. Quandt und Flick lenken nicht nur beide als Alleinherrscher zwei große, weitverzweigte Konzerne; sie konnten es trotz aller Verschleierungsversuche nicht verhindern, daß ihre familiären Probleme publik wurden. Sie gelten auch als die beiden reichsten Männer Deutschlands und sind beide Großaktionäre bei Daimler, dem feinsten Unternehmen der Bundesrepublik. Schließlich gehören beide zu den bedeutendsten Rüstungsfabrikanten. Auf diesem Gebiet sind sie allerdings in einigen Bereichen scharfe Konkurrenten. Beide fabrizieren Munition und Sprengstoffe, und Flicks wie Quandts Konzernbetriebe bauen Panzer. Hier hatte allerdings Friedrich Flick mehr Glück. Er stieg zum erfolgreichsten Panzermonteur der Bundesrepublik auf, während Quandt weitgehend leer ausging.

Dabei hatte man zunächst in schöner Eintracht angefangen, als es darum ging, die Rüstungsmilliarden einzufangen. In der von Harald Quandt gegründeten Deutschen Entwicklungsgesellschaft (DEG) in Augsburg arbeiteten die Firmen Keller und Knappich (Quandt), Krauss-Maffei (Flick), die Rheinischen Stahlwerke und Atlas-Mak (Krupp) einträchtig zusammen an den Entwürfen für den deutsch-amerikanischen Panzer MBT 70, der zum Kampfpanzer der siebziger Jahre werden sollte. Der amerikanische Partner war General Motors. Den deutschen Steuerzahler kostete diese Entwicklungsarbeit statt der ursprünglich geplanten 120 Millionen Mark rund 475 Millionen, und dann wurde das Projekt Anfang 1970 eingestellt. Der Grund: Zu teuer und technisch zu kompliziert. Für Quandt war damit der Traum vom großen Panzergeschäft ausgeträumt, die DEG wurde aufgelöst.

Flick brauchte das wenig zu bekümmern. Seine Betriebe waren ohnehin ausgelastet. Als 1963 über die Serienproduktion des ersten deutschen Nachkriegspanzers, des Leopard, entschieden werden sollte, bewarb sich neben der Flick-Tochter Krauss-Maffei auch die Quandt-Gruppe. Vergeblich, der Auftrag ging nach München. Der Leopard gedieh für Krauss-Maffei zu einem Milliardengeschäft. Die Bundeswehr orderte bis zum Anfang des Jahres 1970 für den Ersatz des alten US-Geräts 1845 Leoparden. Außerdem trafen Bestellungen aus dem Ausland ein: Holland kaufte 451, Belgien 334 und Norwegen 78 Panzer zum Stückpreis von 1,4 Millionen Mark. Italien gar wünschte 800 Leoparden. Die stählerne Wildkatze wurde damit zum größten Exportschlager in der deutschen Rüstungsgeschichte.

Irgend jemand muß wohl Waffen produzieren. Wir leben nun einmal in einer Welt, die ihren Frieden noch nicht gefunden hat und in der wie zu Zeiten der primitiven Höhlenbewohner das Abschlachten anderer Menschen immer noch als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln seinen Platz hat. Seltsam ist nur, daß die gleichen Leute, die auch schon am Rüstungsgeschäft mit Hitler Millionen verdient haben, dabei auch heute wieder in der ersten Reihe stehen, wenn es gilt, die Demokratie mit Waffen zu schützen.

Flick steht dabei besonders weit vorn, denn er ist nicht nur der größte deutsche Panzerschmied, sondern hat seine Leute sogar im Verteidigungsausschuß sitzen. Der persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafter der Friedrich Flick KG, Wolfgang Pohle, trat dem Verteidigungsausschuß des 6. Deutschen Bundestages als stellvertretendes Mitglied bei. »Es gehört sich einfach nicht, daß engagierte Firmenvertreter ausgerechnet in diesem Ausschuß sitzen, in dem ja auch über die Auftragsstrategie des Ministeriums gesprochen wird«, empörte sich zwar der Abgeordnete Schlaga, aber Pohle fand nichts dabei. »Ich verstehe diese Denkungsart einfach nicht, das ist doch kleinkariert. Als Mitglied des Finanzausschusses habe ich außerdem kaum Zeit für den Verteidigungsausschuß. Und wenn dort je - was nicht der Fall ist - über Belange meiner Firma gesprochen wird, wäre ich selbstverständlich nicht dabei.«s Das braucht der Flick-Mann auch gar nicht, denn auch stellvertretende Ausschußmitglieder haben Zugang zu allen Ausschußpapieren - auch zu solchen, die anderen Abgeordneten aus Geheimhaltungsgründen vorenthalten werden. Mag sein, daß Pohle tatsächlich nur Interesse an einer Mitarbeit hatte, weil in seinem Wahlkreis Kempten Garnisenen liegen (ein Argument, das ohnehin für nahezu jeden Abgeordneten zutrifft), die »Optik bleibt ungut«, wie es Wilhelm Berkhan, der parlamentarische Staatssekretär des Verteidigungsministers ausdrückte. Im übrigen müßte Pohle nach der Logik seiner Argumentation eher eifrig im Agrarausschuß mitarbeiten, denn für seinen ländlichen Wahlkreis ist die Höhe des Milchpreises ungleich wichtiger als die Frage, mit welchen Panzern die Bundeswehr ausstaffiert wird. Daß es Pohle nicht nur um die Kasernen in seinem Wahlkreis ging, als er sich um Zutritt zum Verteidigungsausschuß bemühte, geht wohl auch daraus hervor, daß er sich keineswegs zierte, als Verteidigungsminister Helmut Schmidt ihn 1970 aufforderte, einem Gesprächskreis von Industriellen beizutreten, die sich für Rüstungsaufträge interessieren.

Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland, Hamburg 1971, S. 78 ff.