Die Theorie des Kompasssegelns

Theorie des Kompasssegelns
 


Dr. Harald Wozniewski
Karlsruhe 1998

(Hinweis: Der folgende Text entstammt dem Online-Handbuch des Software-Produkts KOMPASS FÜR REGATTASEGLER 2.0. Dies wird deshalb erwähnt, weil an manchen Stellen des Textes auf dieses Simulationsprogramm verwiesen wird und der Text sonst nicht verständlich wäre.)

Inhalt

Einführung

Das Regattasegeln ist in Bezug auf die geistigen u n d körperlichen Fertigkeiten mit Sicherheit eine der anspruchsvollsten Sportarten, die es gibt. Kaum eine andere Sportart verlangt dem Sportler ein so vielseitiges Wissen und so viel Erfahrung ab, wie das Regattasegeln. Mit einem ganz speziellen Thema des Regattasegelns beschäftigen sich KOMPASS FÜR REGATTASEGLER und die folgenden Seiten. Es geht um die Fragen: Wie wirken sich Winddrehungen und Windablenkungen während der Kreuz aus? Und wie kann man diese am besten nutzen und beherrschen?

In den folgenden Kapiteln geht es um folgende Themen:

  • Zunächst wird Ihnen der Unterschied zwischen Winddrehungen und Windablenkungen erläutert, denn beide Phänomene erfordern unterschiedliche Techniken des Kreuzens und des Kompasseinsatzes.
  • Dann geht es erst einmal um Winddrehungen. Sie werden mit zwei Beispielen für Winddrehungen bekannt gemacht, wobei Ihnen auch eine Methode gezeigt wird, um den kürzesten Weg für die Kreuz festzustellen (jedenfalls in der Rückschau).
  • Bei dieser Gelegenheit möchte ich außerdem die Behauptung aufstellen und beweisen, dass zwei absolut gleich schnelle Boote, die eine Kreuz mit der üblichen Größe von 2,5 km zwischen Lee- und Luvtonne segeln, bloß durch richtiges bzw. falsches Ausnutzen von Winddrehungen in einem Abstand von über 500 m (fünfhundert Meter!) zueinander die Luvtonne erreichen, wobei lediglich vier Winddrehungen in der Stärke von nur 5° bis 15° auftreten werden.
  • Dann wollen wir anhand dieser Beispiele die wesentlichen Grundsätze für das Kreuzen und für die Nutzung des Kompasses erarbeiten und
  • uns diese Erkenntnisse für die Praxis nutzbar machen, wobei wir auch kurz auf das Starten eingehen.
  • Später befassen wir uns mit Windablenkungen und der Nutzung des Kompasses in diesen Fällen. Da Windablenkungen sehr von den konkreten Gegebenheiten (insbesondere von den Uferformationen) abhängen, ist der praktische Nutzen einer Computersimulation dazu sehr gering; der Simulationsteil von KOMPASS FÜR REGATTASEGLER enthält daher keine Windablenkungen.
  • Schließlich möchte ich noch mal versuchen, das Kompasssegeln in Beziehung zu setzen zu den anderen Tätigkeiten während der Regatta.

Bei alledem halten Sie sich bitte stets vor Augen: Es ist ein Problem, die Windverhältnisse für die nächste bzw. laufende Kreuz richtig vorher zu sagen. Dieses Problem ist keines, dass man am Computer lernen kann. Dazu empfehle ich dringend das Buch von Frank Bethwaite, Hochleistungssegeln.

Ein ganz anderes Problem ist es, die beste Technik zu finden, mit der man die vorhergesagten Winddrehungen am besten ausnutzt. Denn selbst dann, wenn Sie zahlreiche Winddrehungen vorhersagen können, müssen Sie immer noch wissen, wie Sie die Schläge der Kreuz richtig legen. Hierum dreht es sich in dem vorliegenden Text.

Wichtige Unterscheidung: Winddrehung - Windablenkung

Um während der Kreuz aus den Änderungen der Windrichtung die richtigen Schlüsse ziehen und die richtige Taktik anwenden zu können, müssen wir Winddrehungen von Windablenkungen unterscheiden. Beiden, den Winddrehungen und den Windablenkungen, ist gemeinsam, dass wir mit ihnen eine Änderung der Windrichtung erleben. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass wir Winddrehungen erfahren können, wenn wir an einer Stelle verharren, während wir uns bei Windablenkungen bewegen müssen, um eine Richtungsänderung des Windes spüren zu können. Eine Windablenkung, hervorgerufen beispielsweise durch einen Berg oder eine Insel, kann man nur erfahren, wenn man sich auf den Berg bzw. die Insel zu- oder wegbewegt. Sie ist ortsgebunden und an jedem Ort verschieden stark ausgeprägt. Demgegenüber sind (echte) Winddrehungen ortsunabhängig. Sie "bewegen" sich über das gesamte Segelrevier.

Windablenkungen entstehen, wie in dem Beispiel genannt, durch Berge, Inseln, das Ufer überhaupt, - praktisch durch alles, was da so in der Gegend herumsteht und den Wind behindert. Ablenkungen gibt es aber auch bei konstanter Thermik. Nämlich dann, wenn geographischer Wind in anderer Richtung weht als die Thermik. Je näher man dem betreffenden Ufer mit der Thermik kommt, desto stärker wird diese und desto stärker wird damit die Windablenkung. Auch hierbei muss man sich also bewegen, um von der Richtungsänderung des Windes etwas mitzubekommen.

Thermik kann auch Winddrehungen bewirken. Nimmt die Thermik zu oder ab, so kann ich an Ort und Stelle bleiben, um die Richtungsänderung zu bemerken. Wir haben also eine Winddrehung und keine Windablenkung.

Winddrehungen entstehen vor allem aus Verwirbelungen der Luft, durch Zu- oder Abnahme von Thermik und - langfristig - durch den Zug der Tiefdruckgebiete. Die verbreitete Vorstellung, Winddrehungen entstünden auch durch Wolken, ist nicht ganz richtig. Denn nicht die Wolken erzeugen die Winddrehungen, sondern umgekehrt, die Luftwirbel "erzeugen" die Wolken; sie tragen die feuchten Luftmassen so zusammen, dass Wolken entstehen. Dennoch: Anhand der Wolken lässt sich das Ausmaß der Luftwirbel und damit der (echten) Winddrehungen erahnen. Sehr bedeutend für Art und Ausprägung von Winddrehungen ist Frank Bethwaites Unterscheidung zwischen dem leisen Zug und der Brise. Ich verweise dazu auf sein Lehrbuch Hochleistungssegeln.

Vorbeiziehende Tiefdruckgebiete ändern großräumig die Windrichtung. Da die Tiefdruckgebiete in unseren Breiten ganz überwiegend von West nach Ost ziehen (Westwinde) - und zwar regelmäßig auf denselben Bahnen -, kommt es zu typischen Winddrehungen: Zieht das Tief auf einer Bahn nördlich von uns vorbei, gibt es im Laufe des Tages eine Rechtsdrehung. Hierbei können wir von einer Warm- und / oder einer Kaltfront heimgesucht werden, was kurz vor der Front zunächst eine deutliche Drehung nach links (i. d. R. 20° bis 40°) und anschließend eine heftige Drehungen nach rechts (i. d. R. 60° bis 140°) bewirkt. Achten Sie auf die Wolken und die Temperatur! Zieht das Tief dagegen im Süden vorbei, gibt es eine langsame Linksdrehung (ohne Fronten). Zieht das Tief direkt über uns hinweg, gibt es eine Katastrophe.

Natürlich gibt es zwischen Winddrehungen und Windablenkung Überschneidungen, was aber nichts daran ändert, dass man jeden Part für sich erkennen und mit der entsprechenden Taktik beantworten muss. Soweit sich Winddrehungen und Windablenkungen überlagern soweit überschneiden sich auch die taktischen Maßnahmen. Betrachten wir im folgenden beide Phänomene je für sich etwas genauer.

Winddrehungen: Zwei Beispiele

Verdeutlichen wir uns nun zunächst die Wirkung von Winddrehungen (nicht Windablenkungen) auf die Kreuz anhand zweier vereinfachter Beispiele, wie sie typisch für Regatten sind. In einem ersten Schritt wollen wir die Kreuz bei Winddrehungen mit Hilfe von Skizzen erfassen. Dann suchen wir den richtigen, d. h. schnellsten (besser: kürzesten) Weg. Später, in einem dritten Schritt, wollen wir die für die Praxis notwendigen und wichtigen Erkenntnisse aus diesen Beispielen gewinnen sowie nützliche Techniken für die Praxis finden und gängige "Taktiken" überprüfen. Wir werden sehen, dass es ohne Kompass nicht geht, und wir werden schließlich lernen, wie wir ihn richtig nutzen.

Im ersten Beispiel kommt der Wind in gleich langen Phasen aus den Richtungen 360°, 005°, 360°, 355° und wieder 360°. Also ganz einfach einmal nach rechts und einmal nach links. Sicherlich wird Ihnen schon klar sein, wie hier zu segeln ist. Dennoch birgt dieses Beispiel so manch Wissenswertes. Im zweiten Beispiel dreht der Wind nicht so simpel hin und her: 360°, 350°, 355°, 345° und 360°. Hier zu gewinnen ist Können und Glück zugleich! In beiden Beispielen liegt die Luvtonne in 360° von der Leetonne. Der Abstand zwischen beiden ist jeweils derselbe.

1. Beispiel

Betrachten wir uns das erste Beispiel anhand einer Skizze:

1. Phase

Der Wind weht zunächst aus 360° (im Bildschirm also von oben), und wir wollen von der Boje unten zur Boje oben kreuzen [Skizze 1.1].

Das Dreieck in der Skizze zeigt uns, wie wir in dieser ersten Windphase kreuzen können. Ohne eine Wende zu machen, würden wir entlang der blauen Linie links bzw. rechts segeln. Wenn wir eine oder mehrere Wenden machen, erreichen wir jeden Punkt auf der grünen Linie. Am Ende der ersten Windphase stehen wir also irgendwo auf der grünen Linie. Wenn der Abstand zwischen den Bojen 2500 m beträgt, so entspricht die Länge einer dieser blauen Linien ca. 685 m.

2. Phase

Der Wind hat um 5° nach rechts gedreht und kommt nun aus 005°.

Sie sehen an den oberen Ecken des Dreiecks der 1. Phase jeweils neue Dreiecke, die entsprechend der neuen Windrichtung ausgerichtet sind [Skizze 1.2]. Diese zeigen, wie wir von links bzw. rechts aus in der zweiten Phase weiterkreuzen können. Ein vollständiges Bild hätten wir, wenn für jeden Punkt der grünen Linie der ersten Phase ein neues Dreieck gezeichnet wäre. Das sollen uns die grüne und die rote Verbindungslinie zwischen beiden Dreiecken verdeutlichen. Wir erkennen deutlich, dass es die ersten Veränderungen in den Platzierungen gegeben hat. Nur wer in der 2. Phase auf Backbordbug segelte, hat die neue grüne Linie erreicht. Wer nur auf Steuerbordbug segelte, hat es lediglich bis zur roten Linie geschafft. Wer kreuzte, befindet sich irgendwo zwischen der grünen und der roten Linie, jedenfalls nicht ganz vorne.

Die restliche Kreuz

Betrachten wir nun die gesamte Kreuz mit den restlichen Phasen 3 bis 5 [Skizze 1.3].

Die Skizze wurde immer nur an den grünen Linien weitergezeichnet. Die Alternativen, die hier hinter zurückblieben, sind in den folgenden Phasen unterschlagen worden. In den Phasen 3 und 4 gab es nochmals Verschiebungen unter den Plätzen. Phase 5 brachte interessanterweise keine Veränderung mehr. Wie wir sehen, treten schon bei geringsten Winddrehungen erhebliche Weglängenunterschiede auf.

Was war der optimale Weg?

...


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Mit freundlichen Grüßen

Ihr dr. wo

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